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Erste Hilfe für die Seele

Ausbildungszentrum in Zuffenhausen: Das Kriseninterventionsteam der Johanniter

| ZuZu Redaktion | Aktuelles

Seit über 25 Jahren gibt es die psychosoziale Notfallbetreuung der Johanniter mitten im Zuffenhäuser Industrie- und Gewerbegebiet. Ein Beitrag von Georg Friedel.

Die Helfer des Kriseninterventionsteams (KIT) betreuen Menschen nach traumatisierenden Ereignissen. Ehrenamtliche Helfer werden noch gesucht. Das Ausbildungszentrum befindet sich in der Schwieberdinger Straße 58.

Vor wenigen Augenblicken kniete das zu Hilfe gerufene Rettungsteam über einem leblosen Mann. Sie versuchten ihn auf dem heimischen Wohnzimmerboden wieder ins Leben zurückzuholen. Der Defibrillator kam zum Einsatz. Vergeblich, der Notarzt konnte nur noch den Tod des Mannes feststellen. Die Gattin bleibt verstört in der Wohnung zurück. Wie soll sie jetzt nur ohne ihren Ehemann zurechtkommen?

Wenn plötzlich ein Riss durch den Alltag geht

Für Fälle wie diese wurde 1997 das Kriseninterventionsteam (KIT) der Johanniter gebildet. Damals reifte bei der Unfall-Hilfe-Organisation die Erkenntnis, dass Opfer und Angehörige ihrem Schicksal nicht allein überlassen werden sollten. Denn für sie bricht nach dem plötzlichen Tod eines Angehörigen oder bei anderen traumatisierenden Ereignissen oftmals eine Welt zusammen. Bei einem Krisenfall gehe es zunächst darum, dass der oder die Betroffene wieder ein Mindestmaß an Kontrolle über ihr Leben zurückgewinnen, sagt Ralf Oberfell. Der Leiter des Stuttgarter Johanniter-KIT betont, dass dazu auch gehöre, der betreuten Klientel Beistand zu geben und sie darin zu unterstützen, die eigenen Ressourcen wieder zu aktivieren.

Auch in Ahrweiler war das KIT-Team im Einsatz

„Seit unserer Gründung hatten wir rund 7000 Alarme und 18.000 Klienten“, sagt Oberfell. „Wir haben 24-Stunden-Schichten und sind an den Stuttgarter Rettungsdienst angegliedert. Die Integrierte Leitstelle alarmiert uns, damit wir uns um Angehörige und Augenzeugen kümmern können.“ Oberfell arbeitet sonst als Ingenieur. Für das aufwendige Ehrenamt als KIT-Helfer bekommt er die Unterstützung seines Arbeitgebers. Meist werden er oder die anderen 14 Stuttgarter Helfer und Helferinnen der Johanniter nach Todesfällen und Reanimationen im häuslichen Bereich gerufen, aber auch nach dem Tod eines Kindes, sowie bei schweren Unfällen im Straßenverkehr, bei Stadtbahn- oder Busunfällen, Bränden oder Katastrophen. Nach der Flutkatastrophe in Ahrweiler im Jahr 2021 fuhren auch Mitglieder des Stuttgarter Johanniter-KIT zur Unterstützung ins Katastrophengebiet, da es auch ein bundesweites Netzwerk gibt. Ansonsten stehen sie auch Opfern von Vergewaltigungen, Raubüberfällen oder häuslicher Gewalt bei. Auch wenn jemand Augenzeuge eines Suizids wurde und deshalb unter Schock steht, sind die KIT-Spezialisten zur Stelle. Sie arbeiten eng mit der Stadt Stuttgart, der Feuerwehr, der Polizei, den Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) und dem Bevölkerungsschutz zusammen. Gesehen haben sie schon vieles. Die Anspannung, was einem erwartet, ist bei jeder Schicht wieder dabei. „Anfangs habe ich nachts ständig kontrolliert, ob mein Diensthandy auch wirklich auf laut steht“, sagt KIT-Helferin Martina Dais-Duppui. Aber wenn dann ein Alarm komme und sich die Leitstelle Stuttgart melde, weiche die Aufregung: „Sobald ich im Einsatz bin, werde ich ruhiger.“ Michael Kloss aus Sillenbuch ist seit 2008 im KIT-Team. Der Sillenbucher, der sonst als Wirtschaftscoach und Unternehmensberater tätig ist, ist über alle die Jahre ein sehr erfahrener Kommunikator in menschlichen Krisen geworden. „Wir kümmern uns um diejenigen Menschen, die in eine psychische Ausnahmesituation geraten sind“, so Kloss. Es ist eine Aufgabe, die viel Fingerspitzengefühl, Feinsinn und Einfühlungsvermögen erfordert.

Gemeinsam nach Lösungen suchen

Betroffene wissen oft nicht, wie es weitergeht. Ein unsichtbarer Riss geht durch ihren Alltag: „Meist entwickeln sich dann aber im Laufe des Gespräches Lösungen für Probleme“, sagt die KIT-Mitarbeiterin Dais-Duppui. Wichtig sei Beistand und Unterstützung anzubieten, bis das soziale Netzwerk der Angehörigen oder Nachbarn greift. Hinzu kommt: „Die Menschen verhalten sich in solchen Extremsituationen völlig unterschiedlich“, ergänzt Oberfell. Von völliger Teilnahmslosigkeit bis zu absoluter Verzweiflung kann die Gefühlsskala der Trauernden reichen. Manch einer taucht erst nach Stunden wieder auf und sagt dann zu den KIT-Helfern: „Ach, wie unhöflich von mir: Ich habe ihnen noch nicht einmal etwas angeboten: Wollen Sie vielleicht ein Glas Wasser trinken oder einen Kaffee haben?“ Das sei ein gutes Zeichen, betont Oberfell. Solche Sätze seien ein Hinweis, dass die betroffene Person langsam wieder ins eigene Leben zurückfinde.

Aufwendige Ausbildung fürs Ehrenamt

Die Ausbildung als Kriseninterventionshelfer dauert in der Regel ein ganzes Jahr. Dazu gehörte eine Ausbildung zum Sanitätshelfer und insgesamt 110 Unterrichtseinheiten. Themenschwerpunkte sind unter anderem Psychotraumatologie, Stressbearbeitung, Trauerbewältigung, Psychische-Erste-Hilfe und Einsatzsituationen. Langsam werden die Aspiranten an die Praxis herangeführt, begleiten erst einmal erfahrene Kollegen bei Einsätzen.

Von Georg Friedel

 

Info: Wer Interesse hat, kann sich unter www.johanniter.de/kit-stuttgart online zu einem Informationsabend anmelden oder sich direkt an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. wenden.


Fotos: Johanniter

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