Aktuelles
Eng verbunden mit dem Stadtbezirk:
Mit Heidi Gühring auf den Spuren des alten Zuffenhausen
Aus dem Treffen ehemaliger Nachbarskinder im Genossenschaftsblock in der Ludwigsburger Straße 52-60 wurde erst ein Buch und dann ein bis heute andauerndes nostalgisches Ehrenamt.
Am Sonntag kehrt Heidi Gühring für ihre diamantene Konfirmation in die Zuffenhäuser Pauluskirche zurück.
Es war eine Kindheit in Ruinen, aber trotzdem eine recht unbeschwerte Zeit: Vorne schirmte der Genossenschaftsblock “das Höfle” zum Verkehr hin ab, dahinter lagen nur noch Wiesen und Felder. Dazu kamen viele Spielkameraden und noch mehr Abenteuer in einem Stadtbezirk, der ein wenig wie ein Abenteuerspielplatz gewirkt haben muss, allerdings mit echten Abenteuern und echten Gefahren. Und es entstanden dabei Freundschaften fürs Leben.
Kein Wunder, dass Heidi Gühring 2007 ein Wiedersehen der vormaligen Anwohner organisierte. Und 2009 gab sie das Buch „Unser Höfle in Zuffenhausen – Prägende Geschichten aus glücklicher Kindheit“ mit heraus. Die Höfles-Kinder von damals erzählen darin vom Mostbirnenklau in Nachbars Garten, vom Baden im schmutzigen Grenzbach, von Nachbars „Waldi“ und von den abenteuerlichen Touren durch den kriegszerstörten Stadtbezirk.
Das Buch brachte ihr aber auch schnell ein neues Ehrenamt ein: Weil sich Stuttgarter Nachkriegskindheiten oft ähneln, wurde Heidi Gühring bald zu Diavorträgen in die Seniorenheime der Region eingeladen. Der Anfang sei ungewohnt gewesen: “Ich hatte ja – außer im Familienkreis – überhaupt keine Erfahrung im Umgang mit alten Leuten”, sagt sie. Die Reaktionen seien ihr zunächst sehr verhalten vorgekommen, aber genau das Gegenteil war der Fall; die Senioren kamen über die fremden Erinnerungen ins Gespräch, begannen – teilweise auch erst Tage später – von eigenen Erlebnissen zu erzählen.
An eine Begegnung denkt Heidi Gühring oft zurück: Sie hatte vom Extrem-Winter 1962/63 berichtet, in dem der Bodensee zufror. “Da erzählte ein Mann, dass er damals mit seiner Schulklasse zum Hockeyspielen ebenfalls dort gewesen war”. Später erfuhr sie, dass der Mann aufgrund seiner Demenz lange nicht mehr gesprochen hatte: “Die Erinnerungen hatten wohl etwas in ihm berührt.”
Obwohl sie längst in Wiernsheim lebt, ist sie mit Zuffenhausen weiterhin verbunden und hilft nun mit, ihre diamantene Konfirmation am 20. März in der Pauluskirche zu organisieren. Bei so viel Engagement für die Nachkriegsjahre im Stadtbezirk hat sie daran doch sicher auch viele Erinnerungen? Damals sei der Konfirmantenunterricht über mehrere Jahre gegangen, berichtet Gühring. Und es seien Jahre voller Versuchungen gewesen: Von daheim habe man immer ein paar Münzen für den Opferstock mitbekommen, doch unterhalb der Kirche hatte damals ganz neu die Eisdiele eröffnet.
Die Konfirmation war 1962 wohl auch mehr als heute ein Meilenstein auf dem Weg ins Erwachsenleben: Die Mädchen durften dann zum ersten Mal höhere Absätze tragen, und am Tag zuvor war auch ein Friseurbesuch üblich, bei dem endlich die alten Zöpfe abgeschnitten wurden. “Da standen wir mit unseren Dauerwellen und wirkten viel zu alt für unser Alter”, lacht Heidi Gühring und hat natürlich auch dazu Fotos zusammengetragen. Nicht immer stieß die neue Frisur auf Gegenliebe: Eines der Mädchen habe seine langen Haare behalten wollen. Sie kommen ab, beschied die Mutter: “Sonst denken die Leute noch, wir könnten uns den Friseur nicht leisten.”
Wahrscheinlich wird sie von der diamantenen Konfirmation Inspirationen für weitere Vorträge mitbringen. Im Moment, so erzählt sie, habe sie sich neu “Reisen in den 50er Jahren” zum Thema gemacht. Sie wolle ihren Zuhörern eine Freude machen, sagt sie noch zum Abschied. Ein bisschen Retro, ein bisschen Nostalgie – “das ist doch was Schönes”. Und einfach mal in Erinnerungen zu schwelgen, könne schließlich nie verkehrt sein.
Info: Das Buch kann auch jetzt noch bei
Von Susanne Müller-Baji
(Foto oben: S. Müller-Baji, Fotos unten: Heidi Gühring)