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Alt überliefert, neu betrachtet
Der Zuffenhäuser Trachtenverein wird an Fronleichnam 100 Jahre alt
Dirndl und Krachlederne sieht man auch hierzuländle immer häufiger auf den Volksfesten und Kirben. Der Zuffenhäuser Trachtenverein hält es da aber lieber mit den überlieferten Trachten der Region und feiert am 3. Juni überdies sein 100-jähriges Bestehen. Coronabedingt wird der Festakt erst im Oktober stattfinden, doch Wissenswertes zum Thema gibt es schon jetzt.
Ortstermin im Magazin des Trachtenvereins in der oberen Markgröninger Straße: Was hier bereit hängt, ist alles andere als von der Stange, sondern vielfach von fachkundiger Hand gefertigt: Rita Schneider und Gudrun Lorenz sind beide von Haus Schneiderin – Lorenz hat sich 1992 für ihre Meisterprüfung sogar einer Schwarzwälder Tracht angenommen. Sie fertigen, reparieren und machen passend, was gut sitzen muss.
Was vielen lange wie ein Anachronismus gewirkt haben muss – Kleidung handwerklich zu fertigen und anzumessen –, ist spätestens durch den Nachhaltigkeitsgedanken wieder topaktuell. Allerdings wird es immer schwieriger, die Kleidungsstücke nach historischem Vorbild wertig anfertigen zu lassen. Entsprechend kostbar ist so eine Garnitur, wie der Trachtenvereins-Ehrenvorsitzende Herbert Schneider erläutert: “Beim Umzug in Tracht mitlaufen ist Ehrensache.” Danach mit der wertvollen Ausstattung einfach so ins Bierzelt sitzen – eher nicht.
Er und Ehefrau Rita präsentieren an diesem Vormittag die typische Festtagstracht der Region. Die Männer trugen Dreispitz und den charakteristischen blauen Gehrock – auch “Kirchenrock” oder “Bratenrock” genannt, weil beides die Festivitäten kennzeichnete, zu denen er getragen wurde. Parallelen zu historischen Uniformen sind überdeutlich, und das ist kein Zufall: Zum einen scheinen durchziehende Heere nicht nur eine Spur der Zerstörung, sondern hin und wieder auch modische Impulse hinterlassen zu haben. Zum anderen war Kleidung kostbar: “Nach dem Militärdienst trugen die Soldaten ihre Uniformjacken daheim weiter auf”, so Herbert Schneider.
Der Gehrock hatte keinen echten Verschluss, nichts sollte den Blick versperren auf das markante rote Wams darunter – ein gewandgewordenes Statussymbol. Die kostspieligen Kugelknöpfe wurden nicht aufgenäht, sondern ihrerseits auf einem Band eingeknöpft. Der Ehrenvorsitzende sagt, dass dieses, um die Faust gewickelt, wohl auch gute Dienste bei Wirtshausschlägereien geleistet habe – als eine Art früher Schlagring.
Es fällt auf, wie viele Redeweisen sich von Kleidern ableiten: “Sich jemanden vorknöpfen” zum Beispiel, “gut betucht sein” oder “unter die Haube kommen”. Vielleicht auch “sich mit fremden Federn schmücken”: Denn so gern man mit seiner Kleidung nach außen trug, wer man war und vor allem auch, dass man es zu etwas gebracht hatte – es war lange genau festgelegt, welcher Stand sich mit welchen modischen Accessoires wie Bordüren oder Samtbesatz schmücken durfte. Wer sich auskannte, konnte in so einen oft von Hand gefertigten Kleidungsstück und seinen Änderungen lesen wie in einem Buch.
Natürlich sollte eine solche Tracht am besten ein ganzes Erwachsenenleben lang halten und wurde immer wieder den veränderteten Anforderungen angepasst, wie Gudrun Lorenz an den Leibchen der Damentracht aufzeigt: “Die Schnürung war praktisch; die Frauen konnten schwanger werden und dann man machte man das Oberteil an der entsprechenden Stelle einfach weiter.” Oft ließ man sich auch in der Festtagstracht bestatten, so dass in seiner Gesamtheit kaum ein Ensemble erhalten geblieben ist.
Gerade bei den legereren Trachten des Verein kann man aber auch bayrische Einflüsse auszumachen, einst von frühen Gastarbeitern in den Ort gebracht. Und wie in der Mode üblich, haben sich über die Jahre auch immer wieder Rocklängen, Schnitte & Co dem Zeitgeschmack angepasst. Das zeigen nun auch die Schaufensterpuppen, die in Tracht gekleidet derzeit in einigen Zuffenhäuser Geschäften und Apotheken auf den runden Geburtstag hinweisen.
Eigentlich jährt sich die Gründung des Zuffenhäuser Trachtenvereins am 3. Juni (Fronleichnam), zum hundertsten Mal. Angesichts der Corona-Lage hat man den Festakt im Roter Bürgerhaus allerdings in kluger Voraussicht erst für Samstag, den 2. Oktober, geplant. Und auch die Jubiläums-Trachtenausstellung in der örtlichen Volksbank, die ihrerseits übrigens ebenfalls ein Jahrhundert alt wird, will man noch so lange herausgezögern, bis ein geregelter Besuch wieder möglich ist.
Was aber sagt man im Verein zu Dirndl und Krachlederner, die scheinbar für immer mehr junge Menschen zu Volksfest und Kirbe einfach dazugehören? So schlimm sei das nicht, stimmen das Ehepaar Schneider und Gudrun Lorenz überein: “Da zieht man sich schick an, macht sich zurecht – das ist doch gut”, sagt Rita Schneider. Dahinter steht aber wohl auch ein wenig die Hoffnung, dass die Beschäftigung mit “Tracht light” irgendwann ja auch zu Interesse an echten Überlieferungen und damit an den Trachtenvereinen selbst führen könnte.
Text & Fotos: Susanne Müller-Baji