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Ja zum Standort, nein zur Größe:

Geplante Flüchtlingsunterkünfte in Neuwirtshaus erhitzen Gemüter in Zuffenhäuser Bezirksbeirat

| ZuZu Redaktion | Aktuelles

Die Verwaltung möchte im Zuffenhäuser Stadtteil Neuwirtshaus Unterkünfte für 248 geflüchtete Menschen bauen. Der Bezirksbeirat stimmt dem Standort nur unter der Bedingung zu, dass die Zahl der Plätze halbiert wird.

Gab es zuvor noch eine aufgeregte Diskussion, herrschte nach Ende der Abstimmung zunächst ratlose Stille im großen Saal des Bürgerhauses Rot: Mit knapper Mehrheit (9 Ja, 7 Nein, 1 Enthaltung) stimmten die Zuffenhäuser Bezirksbeiräte einem Antrag der SPD-Fraktion zu. Dieser unterstützt zwar die Pläne der Verwaltung, auf dem Tennenplatz der Sportvereinigung (SpVgg) Neuwirtshaus Flüchtlingsunterkünfte zu errichten. Allerdings nur, wenn statt der geplanten 248 lediglich 100 bis maximal 124 Plätze dort geschaffen werden. Zuvor hatten CDU, FDP und Freie Wähler beantragt, den Vorschlag der Verwaltung komplett abzulehnen, und waren damit knapp gescheitert (7 Ja, 9 Nein, 1 Enthaltung). Das Abstimmungsergebnis sorgte für einige Verwirrung, denn ursprünglich stammte der Antrag von CDU, FDP und Freien Wählern (er trägt das Datum vom 26. September) auch von SPD, FrAKTION und PULS, die in der Sitzung aber dagegen stimmten und ihn so zum Scheitern brachten.

Bereits in der Julisitzung hatten sich die Zuffenhäuser Bezirksbeiräte mit dem Thema beschäftigt (wir berichteten). Damals hatten die Räte die Vorlage der Verwaltung mehrheitlich abgelehnt (11 Nein, 3 Ja, 4 Enthaltungen). Daraufhin legte der Stuttgarter Gemeinderat das Vorhaben zunächst auf Eis und kündigte an, „konkrete Fragen und Kritikpunkte aus der Bürgerschaft“ zu klären und den Standort im September erneut zur Beschlussfassung vorzulegen. Genau das ist in den vergangenen Wochen geschehen. Das Ergebnis ist klar: Laut der Stadt gibt es keine realistische Alternative zu Neuwirtshaus. „Wir müssen beim Verwaltungsvorschlag bleiben“, sagte Hermann-Lambert Oediger, der Leiter der Abteilung Stadtentwicklung beim Amt für Stadtplanung und Wohnen. Sämtliche Alternativvorschläge seien geprüft worden. Unter anderem zählten dazu ein Grundstück an der Zahn-Nopper-Straße, das früher von der Firma ZEG genutzt worden war, ein Areal an der Zazenhäuser Straße 118, ein Gelände auf dem Gewann Rücken, Standorte in Stammheim und sogar der Zuffenhäuser Kelterplatz. Zu klein, nicht verfügbar, zu isoliert – so lauten die Ablehnungsgründe der Stadt. In Reihen der zahlreich erschienen Zuhörer lösten manche der Begründungen, die Oediger oder Franziska Vogel, die Leiterin des Stuttgarter Sozialamts, vorbrachten, Kopfschütteln oder gar höhnisches Gelächter aus. Immerhin soll es einige kleinere Verbesserungen gegenüber den Ursprungsplänen geben. So ist ein Sichtschutz zwischen Vereinsgaststätte und den Wohnmodulen geplant, ebenso wie ein Lärmschutz zwischen den Modulen und der angrenzenden Bundesstraße.

Die Stadt möchte möchte auf dem Sportplatz der SpVgg Neuwirtshaus 62 Wohnmodule und zwei Büromodule errichten. Dort sollen insgesamt 248 Geflüchtete untergebracht werden. Als die Pläne im Sommer bekannt wurden, herrschte große Aufregung in Stuttgarts kleinstem Stadtteil. „Der Standort ist für Geflüchtete unzumutbar“, hieß es in der Julisitzung des Bezirksbeirats beispielsweise aus den Reihen der Siedlergemeinschaft Neuwirtshaus. Schon für die momentan 861 Bewohner des Stadtteils reiche die Infrastruktur kaum aus. Wilfried Seyfang, Erster Vorsitzender der SpVgg, gab seinen Befürchtungen Ausdruck, dass der Verein auf mittlere Sicht nicht überlebensfähig sei, um seine Existenz bangte auch der Pächter der Vereinsgaststätte. Auch Sicherheits- und Sauberkeitsbedenken, die schlechte Anbindung an Bus und Bahn sowie einige weitere Kritikpunkte wurden aus Reihen der Anwohner vorgebracht. Die jüngste Bezirksbeiratssitzung zeigte deutlich, dass es all diese Bedenken und Befürchtungen nach wie vor bei vielen Menschen in Neuwirtshaus gibt. „Sie nehmen uns nicht ernst“, sagte ein Anwohner in Richtung der anwesenden Vertreter der Stadtverwaltung. Dem Vorschlag einer Anwohnerin, eine deutlich geringere Zahl Geflüchteter auf dem Sportplatz unterzubringen und die Menschen auf andere Standorte zu verteilen, entgegnete Franziska Vogel, dies lasse sich wirtschaftlich nicht machen, da dann unter anderem viel mehr Sozialarbeiter gebraucht würden. Vogel verwies darauf, in welch prekärer Situation sich Stuttgart momentan befände. Die Bedarfslage nach weiteren Plätzen sei drastisch, mit weiteren Zuweisungen sei zu rechnen. Momentan würden mehr als 9000 Geflüchtete in Unterkünften wohnen, rund 2000 davon in Notunterkünften. Sie rechne fest damit, dass in den kommenden Wochen und Monaten weitere Notunterkünfte in Betrieb genommen werden müssten. Was die Belegung in Neuwirtshaus betrifft, so sei geplant, dort zu zwei Dritteln Familien und zu einem Drittel Alleinstehende unterzubringen. Auf jeden Fall werde es „verlässliche soziale Arbeit“ vor Ort geben.

Nachdem der Tagesordnungspunkt beendet worden war, gab es am Dienstagabend vor dem Sitzungssaal noch lange Zeit weitere Diskussionen. Ob die Entscheidung der Zuffenhäuser Räte tatsächlich Einfluss auf die Pläne der Stadtverwaltung hat, entscheidet sich am 12. Oktober. Dann wird sich der Gemeinderat erneut mit dem Thema beschäftigen.

 

Von Bernd Zeyer

 

Foto oben:
Auf dem Sportplatz der SpVgg Neuwirtshaus möchte die Stadt 248 Geflüchtete unterbringen. Zur Bundesstraße im Norden soll es einen Lärmschutz geben, zur Vereinsgaststätte im Süden eine Sichtschutzwand. (Foto: Stadt Stuttgart)